Ich werde oft in die linke Schublade gesteckt, dabei kenne ich beide Seiten. Ich bin zwar ein Arbeitersohn, kenne also das Büetzer-Dasein meines Vaters aus meiner Kindheit. Ich weiss, was es heisst, zusammen mit der Gewerkschaft um 90 Rappen mehr Stundenlohn zu kämpfen. Dafür wurde damals gestreikt. Als kaufmännischer Angestellter war ich zwar immer noch Arbeitnehmer, blickte aber doch schon ein bischen auf die Unternehmerseite. Später wurde ich Abteilungsleiter d.h. meine Sichtweise rückte etwas nach rechts, aber ich vertrat in Diskussionen immer die Arbeiterschaft. Als ich 1970 in die Klavierfabrik Schmidt Flohr AG eintrat, diskutierte ich mit meinem Chef, einem Bern-Burger aus der reichen Gemeinde Muri, Stunden lang über das Proletariat und die bürgerliche Oberschicht. Später als selbständiger Unternehmer lernte ich die Steuerlasten, Einschränkungen, Verbote und Vorschriften des Staates kennen und verstehe seit dieser Zeit auch den Missmut der Arbeitgeberseite.
Als ich mich für Politik zu interessieren begann, hörte ich immer das Wort: "Deregulierung". Ich bemerkte aber nie, dass die Gesetzesflut und die Bürokratie je abgenommen hätten. Später, als Musiklehrer, war ich wieder Arbeitnehmer, also Angestellter des Staates. Ein neues Wort fand Einlass in unseren Wortschatz: "Globalisierung". Am WEF in Davos wurde dagegen protestiert. Ich verstand zu dieser Zeit nicht warum. Heute weiss ich es. Die Globalisierung hat nicht Vorteile für das Volk gebracht, wohl eher Nachteile. Die Vorteile haben sich die Reichen und Superreichen zu Nutze gemacht. Banken, Grosskonzerne und Holding-Gesellschaften verschieben Ihre Vermögen in der ganzen Welt und drücken sich um die Steuern - Globalisierung! Der Angestellte mit seinem Lohnausweis kann kaum etwas vertuschen. Als Rentner bin ich heute mein eigener Angestellter und Chef zugleich - eine ganz neue Erfahrung.
Grundsätzlich geht es immer um links oder rechts sprich arm oder reich. Wer Kapital hat - oder solches bekommt - hat Arbeitsplätze zu vergeben. Der Arbeiter hat nur seine Arbeitskraft zu verkaufen. Er ist immer im Nachteil ausser die Nachfrage nach seiner Leistung ist mal grösser als das Angebot. Alles in allem muss man den Anstand wahren und Sozialkompetenz entwickeln. Kommt man von dort her wo ich - aus einer Arbeiterfamilie - vergisst man dies nie und wird auch nie zum Ausbeuter. Ich bin froh, beide Seiten erfahren zu haben und immer in den Spiegel schauen zu können und ich bin stolz auf meine Herkunft. HRJ
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