Die Schildbürger sterben nicht aus

Zur Zeit als CEO in einem Solothurner Musikhaus wohnten wir im Schloss Emmenholz in Zuchwil. Nicht gerade als Schlossherren aber doch als Mieter im obersten Stock eines kleinen Schlösschens. Als mein Arbeitgeber die Filiale Solothurn aufgab, bedeutete das für mich und meine Familie eine Einkommenseinbusse von ca. 30 %. Da war ein Umzug angesagt um die Wohnkosten zu senken. An der Sekundarschule Kirchberg fand ich eine Stelle als Musiklehrer und in einem Bauerndorf im Kanton Bern fanden wir eine Wohnung im ehemaligen Schulhaus. Eine Parterre-Wohnung mit herrlichem Garten, angrenzend an Kuhweiden auf drei Seiten. 

 

Den ganzen Tag und auch durch die Nacht, bimmelten die Kuhglocken, es war heimelig. Im riesigen Garten erstellten wir einen Pavillon. In meiner schulfreien Zeit konnte ich relaxen und Musik hören. Mädi konnte im Dreck wühlen – heisst: den Garten pflegen, was sie unheimlich gerne tut. Es war die Idylle pur und als man uns noch eine Sanierung ausrichtete mit einer neuen Küche, einem neuen Bad und einer Türe direkt in den Garten, waren wir vollends happy. Wir beschlossen: "Hier gehen wir nie mehr weg". Doch die Ueberraschung kam zwei Wochen vor Weihnachten 2009. Es läutete an der Wohnungstür.

Der Schulkommissionspräsident stand davor und eröffnete uns, man habe beschlossen, unsere Wohnung in einen Kindergarten umzubauen. Natürlich wussten wir, dass wir bei Anmeldung von "Eigengebrauch" ausziehen mussten. Darunter hatten wir aber verstanden, wenn ein Lehrer der dorfeigenen Schule einziehen sollte. Wir waren schockiert, wütend und traurig und suchten nach einer Mietwohnung, später auch nach einer Eigentumswohnung.

Unser Sohn Markus war zu dieser Zeit selbständiger Immobilienhändler und hatte gerade ein Mandat in Ersigen mit 6 Wohnungen. Eine war noch frei. Wir besichtigten sie und entschlossen uns zum Kauf. Heute sind wir da mehr als glücklich, denn auch hier haben wir viel grüne Wiese mit Kühen, Pferden, Schafen um uns herum und nicht zuletzt unsere Zwerghühner im eigenen Garten und niemand kann uns je wieder hinauswerfen.

Übrigens: Der Kindergarten wurde nie realisiert, weil das Geld fehlte. Es ist niemandem in den Sinn gekommen, zuerst genaue Abklärungen zu treffen bevor man einer Familie die Wohnung kündigt. In der Zwischenzeit stand unsere Wohnung mehr als ein Jahr lang leer. Dass der Mietzins nicht mehr einging, scheint niemanden gestört zu haben. Das nenne ich einen Schildbürgerstreich. Für uns ist es jetzt gut. Es lebe die Kommunalpolitik! Wir nennen das Dorf seit dem Vorfall: "Nieder-Schildbürgien!" Warum? Die Schulkinder des Dorfes hatten gerade am Schulfest tatsächlich "Die Schildbürger" aufgeführt! HRJ

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