Es ist verrückt. Ich habe einen Schreibstau wie beim Gotthard-Autoverlad vor den Sommerferien. Geschichte um Geschichte staut sich auf meinem Schreibblock und ich habe zu wenig Zeit um sie einzutippen. Jede drängt danach, als nächste in mein Buch zu gelangen. Dabei spielt die Reihenfolg keine Rolle. Ich schreibe sie auf wie sie mir bei meinen Gassigängen einfallen. Heute machen Mädi und ich eine Nostalgie-Tour um den Neuenburgersee, unser früheres Bootsrevier. Wir suchen ein paar Orte und ein paar Häfen auf, insbesondere solche, die sich verändert haben seit unserer Bootszeit. Unsere Reise beginnt am rechten Bielerseeufer entlang Richtung Neuenburg. Wir passieren Tüscherz. Ich sehe das Restaurant Tschantré. Ich sage zu Mädi: Hier waren wir zum Essen eingeladen vom Architekten Alix Kaenel. Wir waren auf der Jacht in Portalban gewesen und von dort aus nach Tüscherz gefahren. Die Einladung hatte natürlich einen Grund gehabt. Kaenel wollte für uns ein Einfamilienhaus nach Minergie-Norm bauen. Es muss 1998 gewesen sein.
Wir wohnten noch im Schlössli Emmenholz. Ich war arbeitslos nach der Schliessung der Hug-Filiale, deren CEO ich gewesen war. Ich strampelte mich ab nach einem neuen Job als Geschäftsführer. Während 7 Monaten fand ich nichts Brauchbares. Ich geriet an einige Scharlatane, die aus dem Geschick von Arbeitslosen Kapital schlagen wollten. So fuhr ich etwa 100 Km ins Welschland nach Estavayer Le Lac zu einer Vorstellung für den Job eines Aussendienstmitarbeiters. Ich fand die Firma nicht. Ich suchte und suchte bis ich an einem heruntergekommenen Mehrfamilienhaus an der Balkonbrüstung ein Transparent hängen sah. Die Firma - den Namen weiss ich nicht mehr - befand sich in einer Wohnung. In einem schmuddeligen Zimmer sass der Stellenausschreiber an einem Tisch. Er rühmte seine Geschäftserfolge und sagte, seine Mitarbeiter würden alle 10'000 bis 15'000 Franken pro Monat verdienen. Er zeigte mir "Statistiken". Ich weiss, was ich von Statistiken zu halten habe, insbesondere wenn man sie selbst herstellt. Ich sollte auf meine Kosten einen Lieferwagen anschaffen und auf eigenes Risiko ein Lager an Dünger anlegen, dann die Bauern besuchen, den Dünger direkt ab Lager verkaufen und gleich noch selbst liefern. Nicht zu vergessen: die 50 Kg-Säcke selbst auf- und abladen. Erst dann würde eine Super-Provision ausbezahlt. Ich sagte ihm, was ich von solchem Geschäftsgebahren halte. Er spielte die beleidigte Leberwurst. Ausser Spesen nichts gewesen.
Ein anderer Stellenanbieter war die Firma "Jordi" in Zuchwil (Namensgleich-heit ist rein zufällig). Sie vertreibt Wasserenthärtungsanlagen für Einfamilien-häuser. Er schrieb im Inserat, man könne sich vorstellen und direkt vor Ort bewerben. Dabei gab er gleich Datum und Zeit an. Als ich dort ankam, warteten bereits ca. 30 Bewerber in einem Raum auf Festbänken. Der Firmeninhaber begrüsste die Anwesenden und stellte sein Unternehmen vor. Er beschrieb die Anforderungen und was er den Mitarbeitern biete: Einen monatilichen Pauschalbetrag von 2000 Franken für Autospesen, Fax, Telefon, Administrationsaufwand etc. alles inkl. Dann für jede verkaufte Anlage zum Preis von 5000 Tausend Franken oder mehr, eine Provision von einigen Hundert Franken. Kein Fixum, keine Progression, keine Verkaufshilfe. Er garantierte eine Gebietsexklusivität von ein paar wenigen Gemeinden. Zum Schluss des Referates sagte er: "Wissen Sie meine Herren, ich habe es satt, jeden Montag die Leute aus dem Bett zu scheuchen und zur Arbeit anzutreiben. Wer nichts verkauft, verdient eben nichts. So einfach ist das". Ich blieb sitzen bis alle gegangen waren, trat vor seinen Schreibtisch und sage: "Herr Jordi, was Sie da erzählt haben, kommt für mich nicht in Frage. Haben Sie mein Dossier gelesen? Wenn nicht, lasse ich Ihnen eins hier. Wenn Sie an einem guten Verkaufsleiter interessiert sind und diesen anständig bezahlen wollen, können Sie sich gerne melden".
Er meldete sich tatsächlich nach einer Woche und sagte mir am Autotelefon, er sei an mir sehr interessiert. Ich antwortete: "O.K. als Verkaufsleiter ?" Nein, sagte er. "Verkaufsleiter bin ich selbst". Ich sagte: "Gut, dann lassen wir's, weil Ihr Geschäftsgebahren kann ich nicht unterstützen". Schade, sagte er und ich hänge auf. Aus dem Hausbau wurde nichts aus dem einfachen Grunde weil ich zu dieser Zeit zwar reichlich genug Eigenkapital von 50 % vorweisen konnte, aber leider kein gesichertes Einkommen hatte. Ein RAV-Einkommen zählt nicht für eine Hypothek, man könnte ja ausgesteuert werden. Man braucht einen Lohnausweis oder genügend Sicherheiten.
Beim Kauf unserer Eigentumswohnung in Ersigen ein paar Jahre später, brauchte ich eine Hypothek. Zu der Zeit hatte ich nicht genug flüssiges Eigenkapital. Den Erlös aus dem Verkauf unserer Jacht hatte ich in unsere Altersvorsorge investiert. Eine Summe stand mir in Form einer Lebensversicherung zu, doch der Zeitpunkt der Auszahlung stimmte nicht mit der Fertigstellung des Neubaus überein. Ich bot der Bank eine Abtretung der Police an. Wir brauchten aber trotzdem noch eine kleine Zweit-Hypothek. Nun erfuhr ich von einer Regelung, die scheinbar alle Banken anwenden: Keine zweite Hypothek an einen ü60.
Ich hatte zwar noch ein Schiff in Chevroux auf dem Trockenplatz stehen, dass ich zum Verkauf ausgeschrieben hatte. Eine Jacht ist aber eine Mobilie und nur eine Immobilie wird als Banksicherheit akzeptiert, obwohl man ein Haus nicht ausfinanzieren muss, ein Boot hingegen schon. Ich versuchte einer Direktorin der Kantonalbank meine Logik zu erklären. "Selbst wenn mein Schiff nur zum halben Preis verkauft werden kann, reicht es um die zweite Hypothek abzulösen. Ich benötige nur etwas Zeit dafür". Die Direktorin musste mir zubilligen, dass dies keine schlechten Aussichten für die Bank seien. Ich überliess ihr die Verkaufsdoku. Sie meinte, es gäbe eine Möglichkeit, mir eine befristete zweite Hypothek von 2 Jahren zu gewähren. Ich suchte andere Banken zum Vergleich auf. Am liebsten hätte ich die Finanzierung von meiner Hausbank gehabt. Doch mein Banker erzählt mir zuerst wie alle anderen von der ü60-Regelung. Ich fragte ihn: Wieso wollen die Banken an über 60-jährige keine zweite Hypothek geben? Niemand ist für Sie ein sicherer Schuldner als ein Rentner. Er hat auf Lebzeiten AHV und Rente und niemand kann ihm den Job kündigen. Mein Finanzierungsgrad ist hervorragend und wenn ich sterbe, haben Sie mit der Wohnung mehr als den Gegenwert. Er sagte: Sie haben eigentlich recht und ich kenne sie ja schon lange. Er müsse sich mit seinen Vorgesetzten besprechen.
Am nächsten Morgen rief er mich um punkt 08.00 Uhr an und sagte: Es ist in Ordnung. Wir wollen Sie doch nicht an eine andere Bank verlieren. Eine Woche danach rief mich die Direktorin der Kantonalbank an und sagte mir eine zweite Hypothek zu. Ich antworte der Dame: "Leider zu spät. Ich habe soeben einen Vertrag abgeschlossen". Nach ca. einem Jahr war das Boot verkauft und wir konnten die 2. Hypo auf einen Schlag ablösen. Erkenntnis: Nicht alles was Banker so daherreden, muss man für bare Münze nehmen und nicht jeder Rentner ist ein Trottel!
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