19.12.2018 Im Sommer 2018 war unser Bestand an Hühnern auf drei Stück gesunken. Ich besuchte einen Bauernhof in Heimiswil. Der 16-järige Sohn hatte um die 30 Hühner. Leider nur grosse. Er sagte, er hätte da noch ein einzelnes, das etwas kleiner sei, ein Mischling zwischen einem Spitzhauben- und einem Zwerghuhn. Leider werde es von den anderen derart unterdrückt, dass er es in Isolation halten müsse. Zudem habe es ein Geschwür an den Füssen. Er wollte es mir schenken. Ich fand Gefallen an dem Mischling und gab ihm 20 Franken. Zu Hause ging der Zirkus richtig los. Strubeli, wie wir sie nannten wegen ihrer Spitzhauben-Frisur, wurde von allen vom Fressnapf verjagt, gepickt, gehackt und manchmal regelrecht bestiegen und im Genick gepackt. Sie schrie immer wie am Spiess wenn sie verfolgt wurde. Nach ein paar Tagen sah sie noch erbärmlicher aus und ich spielte mit dem Gedanken, sie zurück zu bringen. Aber in Heimiswil hätte sie es ja nicht besser. Mit der Zeit wurden die Schreie etwas weniger, aber es folgten neue Probleme. Als erstes kam sie in die Mauser und verlor fast ihr ganzes Federkleid. Strubeli sah schrecklich aus. Als die Mauser vorbei war schaute ich mir die Füsse etwas genauer an und musste feststellen, dass sie verkrüppelter denn je aussahen. Dann bemerkte ich an den anderen Hühnchen die gleichen Verformungen. Ich brachte Strubeli zum Tierarzt. Der stellte fest, dass mein ganzer Bestand die „Kalkbeinrüde“ habe weil diese ansteckend sei. Nun bekamen alle Tiere zwei mal im Abstand einer Woche eine Spritze und die Füsse und Beine mussten mit Kriechöl eingerieben werden. Die Kalkbeinrüde entsteht durch die Kalkbeinmilbe, die sich als Parasit in den Schuppen der Hühnerbeine einnistet. Die Ablagerungen dieser Milben sehen aus wie versteinerter Kalk. Nach zwei Wochen war alles vorbei und alle hatten wieder schöne Füsse – auch Strubeli. Leider war dies nicht das letzte Problem. Strubeli wurde gluckig und zwar in einem Masse, dass sie über längere Zeit im Nest sitzen blieb. In dieser Zeit fressen die Hühner kaum. Bei uns spielt das keine Rolle aber bei den Eierproduzenten wird dieser Zustand heftig bekämpft. Von den Bauernmethoden, die ich im Internet gelesen habe, will ich nichts wissen. Die Ratschläge gehen von „Isolationshaft im dunkeln Keller auf Betonboden“ bis zum „Waterboarding in verschlossenem Sack“ – die Bauern nennen es „dümpeln“. Inzwischen ist das in der Schweiz verboten. Meine Methode ist wesentlich humaner: Nach etwa 6 Wochen begann ich, sie zwei bis drei mal täglich aus dem Nest zu nehmen und vor den Fressnapf zu stellen. Sie pickte dann gierig, trank etwas Wasser und rannte unter Schreien hinaus zu den anderen, als wollte sie sagen: „Hei - ich bin dann auch noch da!“ Wir sagten: „Strubeli hat nicht alle Tassen im Schrank“, aber sie ist absolut munter und sie ist auch als Psycho sehr liebenswert. Nach kurzer Zeit flüchtete sie wieder in ihr Nest. Es scheint, dass sie unter allen Umständen Mutter werden wollte. Da sie nun regelmässig etwas Futter zu sich nahm, war die Gefahr der Erschöpfung nicht gegeben. Hühner können in derartigen Situationen schwächer und schwächer werden und am Ende sogar verhungern. Nach 3 Monaten spazierte sie eines Morgens frisch und fröhlich hinaus und war von allen Plagen geheilt. Sie schrie nicht mehr, setzte sich in der Gemeinschaft durch und lässt sich nun sogar streicheln. Ihre Psychose ist beendet und damit auch ihr Leidensweg. Sie scheint bei uns jetzt glücklich zu sein. Das sieht man auch an ihrem prächtigen Federkleid. Erkenntnis: Etwas Geduld lohnt sich immer. HRJ
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Kurt von Allmen (Montag, 08 Juli 2019 16:17)
Hallo HR
Auch ein Strubeli-Huhn braucht etwas Geduld, Zuneigung und Liebe, Bravo hast du gut gemacht � weiter streicheln !!����
Gruß Kurt